Eine Mischung aus Leichtigkeit, Intensität und Emotionalität, ein Miteinander mit einer besonderen Balance: So lässt sich die gemeinsame Zeit der Geschwister vielleicht am besten beschreiben. Drei Tage verbringen 17 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 31 Jahren Ende September in Köln und beschäftigen sich mit dem Thema „Übergänge und Umbrüche im Leben von Geschwistern“.
Was sind Umbrüche und Übergänge? Sind diese positiv oder negativ besetzt? Welche Gedanken verbindet man damit? Die Themenschwerpunkte der Selbsthilfeklausuren legen die Geschwister stets selbst. Begleitet werden sie an dem sonnigen Wochenende von Anja Schulte, Ansprechpartnerin für Geschwister, und Kevin Leinbach, Ansprechpartner für lebensverkürzend erkrankte junge Menschen. „Mensch, das hat mir so gefehlt“, platzt es nach wenigen Minuten aus einer jungen Schwester heraus, die einige Jahre nicht an den Treffen der Geschwister teilnehmen konnte.
Geschwister gemeinsam leuchten lassen
„Die Verbindung, die zwischen den Geschwistern besteht, kann man kaum in Worte fassen. Wie sie sich umeinander kümmern, wie sie Rücksicht nehmen – ich bin davon immer wieder tief bewegt“, beschreibt Anja Schulte. Der erste Abend steht im Zeichen des Kennenlernens. Beim gemütlichen Abendessen wird mittlerweile schon traditionell „Die Werwölfe von Düsterwald“ gespielt, viel gequatscht und gelacht. Am Samstag geht es dann inhaltlich rund. Zu Beginn zündet Anja Schulte eine Kerze mit Doppeldocht an, um die Geschwister - gesund und lebensverkürzend erkrankt oder bereits gestorben - bildlich gemeinsam leuchten zu lassen.
Der Auszug als Beginn eines Selbstfindungsprozesses
Ein besonderer Umbruch im Leben, der die Geschwister beschäftigt, ist der Auszug von zuhause: „Hier kommen Gedanken wie: Kann ich das meinen Eltern zumuten? Lasse ich meinen Bruder oder meine Schwester im Stich? Ich habe doch auch die Verantwortung“, erzählt Anja Schulte. „Aber auch die Frage: Wer bin ich eigentlich? Bisher war ich ,nur‘ das Geschwister von… Der Beginn eines Selbstfindungsprozesses wird mit dem Auszug verbunden.“ Eine Schwester berichtet, dass sie maximal eine Stunde Autofahrt von ihrem Zuhause entfernt wohnen möchte, damit sie schnell da sein kann. Zwei andere Geschwister beschäftigen sich gerade mit dem Auszug ihrer erkrankten Schwester, die in eine Wohngruppe gezogen ist.
Ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit
Ein weiterer großer Umbruch und*oder Übergang ist natürlich der Tod des erkrankten Bruders oder der Schwester. „Man denkt, man bereitet sich darauf vor – aber echt: Das kann man gar nicht“: Bei vielen fließen die Tränen, andere nicken zustimmend, weitere Worte sind nicht notwendig. „In dem Zusammenhang besteht auch häufig die Angst: Wie sieht die Gesellschaft unsere Trauer, die nie vergehen wird, zukünftig? Klar, anfangs besteht großes Verständnis und Mitgefühl – aber nach Jahren?“, sagt die Ansprechpartnerin für Geschwister. In der sicheren Blase der Selbsthilfeklausur und dem Wissen des Verständnisses der Teilnehmenden wird sich viel ausgetauscht. Als sichtbares Zeichen der Verbundenheit gibt es als Abschlussgeschenk ein Festivalbändchen für die Geschwister.
Am Sonntag winkt bereits der Abschied - und damit der Übergang in den Alltag. Auf die Frage zum Abschluss, ob die Geschwister ihr Leben tauschen würden, war die Antwort absolut klar: „Nein. Niemals.“